Wie erkenne ich den richtigen Impuls für mein Leben?

Altar der St. Nikolai-Kirche in Bad Liebenwerda

Evang. Kirchengemeinde Bad Liebenwerda / Dirk Gebhard

Wie erkenne ich den richtigen Impuls für mein Leben?
aus der St. Nikolai-Kirche in Bad Liebenwerda
12.05.2024 - 10:05
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Gnade sei mit Euch und Frieden von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn, Jesus Christus. Amen.

In Tansania haben wir immer eine lange Regenzeit. Doch dieses Jahr hat es nicht aufgehört mit Regnen. Meine Familie hat mir davon erzählt. Es gibt große Überschwemmungen. Es sind vor allem die nördlichen Regionen betroffen. Aber auch Daressalam, die Millionenstadt an der Küste, und Ifakarah im Südwesten Tansanias. Und auch das Nachbarland Kenia. Oft ist die Infrastruktur beschädigt. Es gibt Probleme mit dem Strom und sehr viele Häuser sind beschädigt. In Kenia soll Wasser bis in den internationalen Flughafen gelaufen sein.

Früher wäre ich vielleicht über die Nachricht von einem Hochwasser in einem afrikanischen Land oder in Indien hinweggegangen. Oder ich wäre nur kurz betroffen. Wenn ich jetzt in den Nachrichten Tansania sehe, ist das ganz anders. Jetzt sehe ich die überfluteten Häuser und weiß, auch im Lugala-Krankenhaus stand Wasser auf dem Gelände. Plötzlich kommt mir das nah!

„Lugala“ war für mich mal ein fremdes Wort, ein unbekannter Ort. Obwohl ich schon als Kind und Jugendlicher davon gehört hatte. Seit den 80er Jahren bestanden Kontakte vom Wittenberger Paul-Gerhardt-Krankenhaus nach Lugala. Aber damals klang „Lugala“ für mich genauso wie „Mars“ oder „Mond“ – eine fremde, ferne Welt. Erst vor vier Jahren hat sich das geändert. Ich habe den Lugala-Arbeitskreis kennengelernt, Bilder vom Krankenhaus gesehen und von der aktuellen Spendenaktion gehört. Ich habe mit zwei Mitarbeitenden aus Lugala bei ihrem Besuch in Deutschland zuhause bei mir am Abendbrottisch gesessen und lese per Email, welche Krankheiten Dr. Hellmold in dieser Woche im Lugala-Hospital behandelt. Das ist so großartig. Es weitet meinen Horizont. Und unseren. Und jetzt feiern wir im ganzen Kirchenkreis Bad Liebenwerda das „Lugala-Jahr 2024“ mit über 40 Veranstaltungen: Vorträgen, Kochkursen, Konzerten, Filmen, Gottesdiensten. Partnerschaft kann so einfach, so sinnvoll und so wunderbar bereichernd sein! Unser Wunsch ist, dass für Viele dieses agile Hospital im Süden Tansanias zu einem wohlbekannten Ort wird.

Was lernen junge Menschen in Tansania über Deutschland?

In der Schule haben wir manches über Deutschland gelernt. Zum Beispiel, dass Rassismus ein Problem ist. Jetzt bin ich schon über ein Jahr in Deutschland, aber Rassismus habe ich bisher hier nicht festgestellt. Es gibt Freunde, die von Beleidigungen oder Angriffen berichten. Ich selbst habe es noch nicht erlebt. Ich finde es aber gut, wie Menschen hier dagegen aufstehen.

Das zweite Thema, das ich über Deutschland gelernt habe, ist der Kolonialismus. Ich denke aber, das ist Vergangenheit. Es ist interessant, das zu hören. Aber ich will wissen, wie wir die Zukunft besser machen. Wir müssen so viel entwickeln. Ich glaube, es wird besser sein, zusammenzuarbeiten, in all den vielen Themen. Es ist nicht hilfreich, wenn eine Seite etwas kompensieren will, korrekt sein will. Eher sollten wir daran arbeiten, uns auszutauschen, so dass es eine win-win-Situation wird.

Klar, ich weiß: Partnerschaft kann auch schiefgehen. Es gibt oft Menschen, die nur sich selbst bereichern wollen. Das darf nicht sein. Korrupte Menschen gibt es auf allen Seiten, die helfen niemandem. Es braucht immer zwei Seiten, die mit vollem Herzen die Partnerschaft ausfüllen. Menschen, die es ernst meinen und nicht nur persönlichen Vorteil daraus schöpfen.

Wie entsteht Partnerschaft? Ich kann ja im Moment fast zuschauen, wie das geht, aber so richtig begreifen kann ich es nicht. Ich glaube, Gott ruft uns. Gott hat die Gabe des Mitgefühls und der Nächstenliebe tief in uns hineingesenkt, wie „ein Gesetz in unser Herz und unseren Sinn geschrieben“. So beschreibt das in der Bibel der Prophet Jeremia. Da ist etwas in uns, an das Gott anknüpfen kann, das er in uns wachrufen kann.

Und wir können antworten! Mich faszinieren die biblischen Berufungsgeschichten. Gott spricht Menschen an und sie sagen: Hier bin ich! Interessanterweise beruft Gott selten die Berühmten und Tapferen, sondern oft die Unbekannten und Ängstlichen. Der große Samuel, ein Prophet und Richter Israels, dieser Samuel wird als Jugendlicher von Gott angesprochen, im Traum. Und Samuel hört die Stimme Gottes, steht auf und sagt: Hier bin ich.

Gott spricht, er ruft Samuel und der hört seine Stimme und geht los. Alle Menschen können das. Wir können die Aufforderung hören und wir können aufstehen und sagen: Hier bin ich. Wir können uns für eine Sache begeistern. So wie wir hier in Bad Liebenwerda für das Lugala-Krankenhaus dort im Süden von Tansania.

Eine Erfahrung dabei, die viele kennen: Wir stehen auf und rennen aber in die falsche Richtung. So war das auch bei Samuel. Gott ruft ihn im Traum, aber Samuel läuft zu Eli, seinem alten Lehrer. Er denkt, die Stimme, die er gehört hat, kam von Eli. Ein anderer Rufer kommt ihm gar nicht in den Sinn. Dreimal geht dieses Spiel. Dreimal rennt Samuel zum Falschen. Ohne sich die Frage zu stellen: Wer ruft mich eigentlich? Ist das, was ich mir vorstelle, auch richtig? Gut, wenn es Leute gibt, die mir helfen, die Berufung richtig zu deuten.

Und die helfen, Vorurteile abzubauen. Ja, ich hatte auch Vorurteile. In Tansania denken wir zum Beispiel: Jeder in Europa hat viel Geld. Dank der Chance meines Freiwilligenjahres kann ich sehen, dass nicht alle hier reich sind. Ich sehe, wie das Leben ist, dass man dafür arbeiten muss. Und dass es hier auch arme Menschen gibt. Wir waren da, wo wir Menschen gesehen haben, die keine Wohnung haben.

Und ich kann noch viel mehr lernen. Ich bin beeindruckt zu sehen, dass Regierung und Volk zusammenarbeiten für Nachhaltigkeit. Es gibt überhaupt so viele gute Dinge hier: Deutschland hat eine starke Infrastruktur, soziale Unterstützung, Bildung, kostenlose Krankenhäuser, Krankenversicherungen. Dafür zahlen Leute Steuern.

Die Schule kostet nichts. Der Kindergarten kostet nichts oder wenig. Die Regierung tut viel für das Volk, das Volk tut viel, dass es allen gut geht. In Tansania zahlen wir keine Steuern. Und es haben nur wenige eine Krankenversicherung.

Was ich nicht verstehe, ist, dass hier so viele klagen und sich beschweren. Im Winter sagen sie: Es ist so kalt, im Sommer sagen sie, es ist zu heiß. Ich habe sie gefragt: Ok, was willst du? In Tansania haben wir diese Lebensart: Wir vergleichen nicht so sehr. Wir nehmen, wie es kommt. Ok, es regnet, ok, es ist kalt. Menschen machen nicht so schnell Vorwürfe.

Das ist wunderbar zu hören. Von der Haltung können wir uns eine Scheibe abschneiden. Manchmal spricht Gott eben Swahili.

Aber es ist nicht leicht, immer genau zu erkennen, wann Gott uns ruft. Und durch wen. Wir rennen oft zum Falschen. Manchmal fühlen wir uns gemeint und sind es gar nicht. Wir setzen die Hoffnung manchmal in Menschen, die das nicht verdienen. Heute rufen manche: Komm, bei uns kannst du deinen ganzen Hass rauslassen, andere beleidigen, weil dir ihre Hautfarbe nicht passt. Du kannst lügen, bis sich die Balken biegen, und keiner kann was dagegen machen – je doller, desto besser. So eine „Erlaubnis zum Hassen“ setzt erstaunliche Kräfte frei. Wie fatal ist es, wenn Menschen darauf mit „Hier bin ich“ antworten.

Dreimal rennt Samuel in der Nacht zu seinem alten Lehrer Eli. Weil er denkt, der ist es, der ihn ruft. Beim dritten Mal dämmert es dem alten Propheten Eli, dass er wohl offensichtlich nicht der richtige Auftraggeber für den jungen Samuel ist. Er gibt Samuel den entscheidenden Hinweis: Wenn die Stimme wiederkommt, die dich ruft, dann sage:

Rede, HERR, dein Knecht hört. Zur Bereitschaft, zum „Hier bin ich“ kommt das Hören. Das tut Samuel. Und jetzt bekommt er einen Auftrag. Der wird sein ganzes Leben bestimmen.

Auch wir als Christinnen und Christen haben einen Auftrag: Gottes Liebe in der Welt sichtbar werden lassen. Und das meint konkret: Geschwister werden im Glauben, die Partnerschaft pflegen und ausbauen, in überhitzten Debatten Ruhe stiften, zuhören, Grenzen der Menschlichkeit aufzeigen und uns von Herz statt von Hetze regieren lassen.

In jedem Gottesdienst können wir dafür auftanken. Die Gottesdienste hier finde ich sehr schön. Aber etwas erstaunt mich, dass hier so wenig Leute in den Gottesdienst gehen. Ich wundere mich immer, weil: Es ist so eine schöne Umgebung, aber wo sind die Leute? Bei uns in Tansania findet man sonntags kaum einen Platz zum Sitzen.

Vielleicht ist es eine Frage der Erziehung, ob man es gewohnt ist und von den Eltern gelernt hat. Wenn man es bei den Eltern gesehen hat, dann entwickelt sich auch eine eigene Sehnsucht nach Gebet, eine eigene Sehnsucht nach Gott.

Vielleicht sind die Leute hier aber auch zu beschäftigt mit ihrer Arbeit, oder sie finden den Glauben und die Gottesdienste langweilig. Wenn ich in die Kirche gehe, liebe ich die Atmosphäre. Sie lädt ein zu meditieren.

Und ich liebe die Orgel so sehr. Die haben wir bei uns nur in ganz großen Kirchen. Aber hier habe ich sie fast überall gesehen und das ist so schön.

Dafür sind in Tansania mehr Jugendliche in der Kirche.

Was ich vermisse, ist, dass es hier nicht so viel Gemeinschaft gibt. Dass man sich nicht einfach mit anderen treffen kann zum Gebet. Es ist schade, dass viele hier nicht dafür offen sind. Ich kenne das so, dass man auch unter Freunden wie eine Familie sein kann und sprechen und offen sein kann. In Deutschland ist man mehr allein. Auch im Gottesdienst. Und danach gehen immer alle gleich nach Hause.

Das ist schon lange ein geheimer Wunsch von mir: dass wir nach dem Gottesdienst immer noch ein kleines bisschen zusammenbleiben. Ich finde das schön, wenn es in manchen Gemeinden nach dem Gottesdienst am Ausgang noch Kaffee oder Tee gibt. Alles ganz einfach: der Tee im Mehrwegbecher und statt großem Kuchenbuffet nur der Keks zum Festhalten. Mehr braucht es nicht. Bisher habe ich mich nicht getraut, diesen Wunsch zu äußern. Wahrscheinlich fürchte ich, dass ich allein bleibe und niemand sagt: Hier bin ich. Vielleicht müssen wir das Wünschen wieder lernen.

Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich sagen: Nehmen wir uns doch einfach einander an, so, wie wir sind. Wir sind doch ein Leib, ein Körper. Wir sind abhängig voneinander. Wir haben alle einen bestimmten Part zu spielen. Es ist so wichtig, das auch zu tun. Etwas zu tun, was für einen anderen wirklich einen Unterschied macht. Nicht nur, was für mich gut ist. Etwas, das jemandem eine echte Hoffnung gibt.

Eines Tages wird es aufgehen, mehr, als wir uns vorstellen können.

Weil: Gott ist gut. Gott ist Liebe.

Das können wir zu den Leuten bringen, diesen Geist, füreinander da zu sein. So kann die Welt ein besserer Ort werden.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Auf Gott wollen wir hören und zu ihm beten. Gott ist gegenwärtig.

Amen

Es gilt das gesprochene Wort.