Oma Sofies Ringe

Morgenandacht
Oma Sofies Ringe
29.06.2019 - 06:35
23.05.2019
Gerhard Koepke
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Oma Sofie, die Großmutter, trug an ihrer rechten Hand zwei Ringe am Ringfinger.

Zwei goldene Eheringe. Der eine, das war ihr eigener, also der, den sie seit ihrer Heirat anhatte. Und der zweite, das war der Ring ihres verstorbenen Mannes.

Als er gestorben war, hatte Oma Sofie seinen Ring nicht mit beerdigt. Sie hat ihn abgenommen und trug ihn von da an an demselben Finger wie ihren eigenen. Beide glänzten schön golden.

Bevor die Großmutter starb, verfügte sie, dass die Enkelin die beiden Ringe erben sollte.

Die Enkelin hat dieses Erbe dann gut aufgehoben. Sorgsam verwahrte sie die beiden Eheringe in einer kleinen Schmuckschatulle in einer Schublade hinten im Schrank.

Dass sie die Ringe selbst anziehen würde? Nein, auf die Idee ist sie nicht gekommen. Sie trägt ja selbst einen Ehering.

Dass sie die beiden goldenen Ringe ja einmal einschmelzen und ein neues Schmuckstück daraus herstellen könnte, mag sie vielleicht gedacht haben. Aber auch dazu ist es nicht gekommen.

Nun heiratet ihr erstes Kind, der älteste Sohn. Also der Urenkel von Großmutter Sofie, die diese zwei Eheringe übereinander trug. Und da bietet sie dem jungen Paar die beiden Ringe zur Hochzeit an, um aus ihnen neue Eheringe zu formen.

Ich finde, das ist eine schöne Idee: Neue Schmuckstücke herstellen aus altem Gold. Vererbt in die vierte Generation hinein… Von der Urgroßmutter zum Urenkel.

Wenn Menschen sterben, lassen sie etwas zurück. Das erben die Nachkommen oder Menschen, die der verstorbenen Person nahestanden.

Manche Menschen vererben auch schon zu Lebzeiten etwas. Echte Reichtümer können das sein. Manchmal viel Geld. Aber es werden auch Gegenstände vererbt, die gar nicht so teuer sind, sondern die eher einen symbolischen Wert haben. Manchmal lassen Menschen auch Schulden zurück. Und Erben können das Erbe annehmen oder sie können es ablehnen.

In der Bibel, ziemlich weit hinten, im 1. Petrusbrief, geht es auch ums Erben. Die Christen damals und wir Christen heute, die wir das lesen oder hören: Wir werden als Erben bezeichnet. In dem Brief geht es um Hoffnung und den Glauben: Wir Christen haben eine Hoffnung geerbt. Durch Jesus Christus.

Aber damals wie heute gilt: Die kann manchmal auch ganz schön erschüttert werden. Die Hoffnung, mein Glaube. Sodass ich zweifele an dieser Hoffnung. Manchmal richtiggehend verzweifele. An ihr und an dem, was mir widerfährt.

Und dennoch gilt, so der 1. Petrusbrief: Die Hoffnung bleibt. Das Erbe bleibt. In Jesus Christus hat Gott mir ein ganz neues Leben geschenkt. Das bleibt – immer!

Eigentlich ist der ganze Brief ein Brief der Hoffnung. Das „dennoch“ und das „trotzdem“ werden darin großgeschrieben.

Gleich, was passiert, „dennoch und trotzdem“ hält Gott zu uns. Wir können gewiss sein, dass er an unserer Seite steht. Deshalb war Jesus Christus da. Und so können wir Christen weiter glauben und hoffen, selbst wenn die Zweifel übermächtig sind.

Es kann ja so viel geschehen, die Eheringe von Oma Sofie und ihrem Mann könnten es erzählen: Schicksalsschläge – wie Kratzer auf den Ringen, haben sie miteinander erlebt. Leiden, richtiggehende Schmerzen. Aber sie haben zusammengehalten. Oma Sofies Partner, der ihr über so viele Jahre ganz nahestand, stirbt. Sie ist allein. Und dennoch entsteht Neues. Wie die alten Ringe, die nun eine neue Verwendung finden.

Der Urenkel, der jetzt heiratet und seine Frau, sie haben sich überlegt: Sie werden die Ringe nicht einschmelzen, um neue daraus herzustellen. Die Ringe werden stattdessen von einer Juwelierin aufgearbeitet, sie werden poliert, ein Muster wird in sie eingearbeitet - und die Braut lässt sich auf ihren Ring einen Edelstein setzen.

Diese Ringe – sie sind für mich ein ganz schön starkes Symbol für Hoffnung, für den Glauben.

23.05.2019
Gerhard Koepke