Meine Ur-Ahnin

Morgenandacht

Gemeinfrei via unsplash/ Ricardo Moura

Meine Ur-Ahnin
Morgenandacht von Pfarrer Eberhard Hadem
02.03.2024 - 06:35
29.12.2023
Pfarrer Eberhard Hadem
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Beim Tauffest einer Familie war ich vor einigen Jahren eingeladen. Eine große Schar von Kindern tobt im Garten herum. Mit den Vätern stehe ich dabei. Da sagt der Taufvater zu uns: „Schaut euch mal meine Tochter an, wie sie Kommandos gibt. Schaut sie euch an, mein geplatztes Kondom.“ Wir anderen stutzen etwas, aber dann begreifen wir. Er grinst übers ganze Gesicht und sagt: „Bin ich froh, dass wir uns für sie entschieden haben. Meine Frau und ich kannten uns erst knapp einen Monat, und sie ist prompt schwanger geworden. Aber irgendwie war uns beiden klar, wir wollen das Kind. Jedes Mal, wenn sie Geburtstag hat, muss ich daran denken!“

Seine Frau kommt mit einer Freundin dazu, bei seinen letzten Worten nickt sie. Gemeinsam gehen die Mütter und Väter die kleine Kindergesellschaft durch: Da ist Ben, der sich ankündigt hat, als die Ehe seiner Eltern in der Krise steckte, seine Mutter hatte schon einen Termin für seine Abtreibung und am Tag vorher hat sie abgesagt. Da ist John, ein Kind mit Down-Syndrom, heiß geliebt von seinen Eltern. Da ist Dorothea, zu Deutsch „Gottes Geschenk“ – sie kam nach 18 Jahren Ehe. Ich ahne, warum sie diesen Namen bekommen hat.

Ich denke an meine eigene Oma: Ihr Mann, mein Opa, hatte Heimaturlaub damals im Krieg, musste nach fünf Tagen wieder weg und sie war schwanger. Geboren wurde dann das siebte Kind der Familie. Mein Großvater war nach dem Ende des Krieges lange in russischer Gefangenschaft, niemand wusste etwas über ihn. Sie dachten, er wäre verschollen. Er kam dann doch nach Hause, zehn Jahre, nachdem er in den Krieg gezogen war. Da waren die Ältesten schon junge Erwachsene. Es waren zehn harte Jahre gewesen, und mit seiner Rückkehr wurde es nicht leichter. Dennoch waren für meine Großeltern ihre Kinder eine Gabe Gottes.

Manchmal hilft die Übertreibung ins Gegenteil: Selbst, wenn sich alle Eltern dieser Erde dazu verpflichten würden, keine Kinder mehr zu bekommen – wie soll ich mir denn das vorstellen? Die Erde als ein riesengroßes älter werdendes Senioren-Sanatorium, ganz konzentriert auf die altgewordene letzte Generation, die – ihr Ende vor Augen – diesem so lange wie möglich verzweifelt zu entrinnen sucht? Das soll die Zukunft für die Erde und die Menschen sein?

In meinem Stammbaum gibt es eine Frau, auf die meine Familie ihre Herkunft zurückführt. Sie ist für mich persönlich sehr wichtig geworden. Sie hieß Katharina Hadem und hatte neun Kinder von mehreren Vätern. Als das jüngste Kind auf die Welt gekommen war und die Mutter es ein paar Tage nach der Geburt beim 11 Uhr-Läuten zur Taufe brachte, schrieb ein mürrischer Pfarrer den Namen des Kindes ins Taufkirchenbuch hinein. Und ganz klein an den Rand schrieb jener Knurrhahn von Pfarrer: „Schon wieder hat diese liederliche Frau ein Bankert geboren!“ Dieser Stinkstiefel!

Von Katharina Hadem, meiner Ur-Ahnin, einer tüchtigen Frau, wird an anderer Stelle erwähnt, dass sie selbständig drei Häuser gebaut hat. Von einem Haus gibt es noch ein Foto, denn es wurde erst in den 1930-iger Jahren abgerissen, in dem Ort meiner Heimat, wo meine Familie ansässig ist.

Ich denke an sie, die ungewöhnliche, offensichtlich lebenslustige, unordentliche, aber herrlich starke Katharina Hadem. Und dann denke ich an mich selbst – und ich meine zu hören, wie Gott dicke Freudentränen für sie und auch für mich lacht. Da lache ich mit. Ich bin überzeugt: In jeder Familien- und Lebensgeschichte gibt es die harten Jahre, Ereignisse, die zum Weinen sind, Stinkstiefel, die die Nase rümpfen über die Kinder, die da neu ins Leben kommen, aber auch ordentlich was zum Lachen. Der liebe Gott schreibt auf krummen Wegen gerade.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

29.12.2023
Pfarrer Eberhard Hadem